
Nachdem die Inflation in Deutschland in den vergangenen Jahren oft nahe der Nulllinie lag, liegt sie seit Jahresbeginn höher. Dafür gibt es verschiedene Gründe, so wurde beispielsweise in den Industriestaaten, allen voran in den USA, durch fiskalpolitische und geldpolitische Maßnahmen unfassbar viel Geld in den Wirtschaftskreislauf gepumpt. Der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Ökonom Milton Friedman postulierte einst „Inflation is always and everywhere a monetary phenomenon”. Man kann also sagen: Wenn die Geldmenge schneller zunimmt als die Wirtschaftsleistung, erwarten Ökonomen früher oder später Inflation.
Inflation ist nicht gleich Inflation
Inflation ist nicht gleich Inflation – zumindest in Bezug auf die Ursache. Dieser wichtige Punkt wird bei den meisten Diskussionen über Inflation vergessen. Wir möchten daher eine kleine, nicht zu 100% wissenschaftskonforme, Unterteilung der Inflationsursachen vornehmen:
- Die klassische Inflation beruht auf einer Lohn-Preis-Spirale, bei der in Phasen hohen Wirtschaftswachstums die steigenden Preise als Grund für höhere Lohnforderungen genommen werden, während die Unternehmen (weitere) Preissteigerungen ihrer Produkte wiederum mit den höheren Löhnen begründen.
- Eine gegenteilige Ausprägung ist die Stagflation. Also die Kombination aus steigenden (Rohstoff-)Preisen und einer wirtschaftlichen Stagnation. Die Stagflation kann von Zentralbanken nur schwer bekämpft werden und gilt daher als „ungewünschter Gast“.
- Im Moment erleben wir eher eine Nachfrageinflation bei gleichzeitigem negativen Angebotsschock, also eine plötzlich erhöhte Nachfrage (als Nachholeffekt nach den Einschränkungen durch die Pandemie) bei gleichzeitig reduziertem Angebot (weil viele Unternehmen in der Pandemie Kapazitäten gedrosselt haben bzw. große Häfen infolge der Pandemiebekämpfung geschlossen wurden und nun die globalen Lieferketten durcheinander geraten sind).
Doch egal, auf welchen Ursachen die aktuelle Inflation beruht, entscheidend sind die mittelfristig wirkenden Einflussfaktoren. Also eine Antwort auf die Frage: Was treibt in der Zukunft die Inflation eher nach oben – und was nach unten? Einige Überlegungen möchten wir Ihnen hierzu mitteilen:
Welche Gründe sprechen für steigende Inflationsraten?
Deglobalisierung: In den letzten Jahrzehnten hatte die Globalisierung eine preisdämpfende Wirkung. Es fand sich immer ein asiatischer Massenproduzent, welcher Waren noch günstiger herstellen wollte. Doch dieser Trend scheint sich angesichts von Handelskriegen und wackligen internationalen Lieferketten umzukehren. In Zukunft wird wohl ein geringerer Produktionsanteil in Niedriglohnlänger abwandern, die Produktpreise könnten daher (als Kompensation) steigen.
Klimawandel: Die Dekarbonisierung der Wirtschaft wirkt gleich doppelt auf die Preise: In einer ersten Welle müssen die Unternehmen einen höheren Preis je Tonne produziertem CO2 bezahlen. Um dies zu vermeiden, müssen Unternehmen in eine klimafreundlichere Produktion und grünere Produkte investieren, was hohe Investitionen nach sich zieht. Die Unternehmen werden versuchen, diese Kosten an die Verbraucher weitergeben.
Demografischer Wandel: Allein in Deutschland könnte die erwerbsfähige Bevölkerung bis 2035 um vier bis sechs Millionen Menschen sinken. Andere Industrieländer und sogar China könnten unter derselben Dynamik leiden. Ein verknapptes Arbeitsangebot wird zunehmend steigende Löhne zur Folge haben, was gemeinhin als „war for talents“ in den Personalbereichen umschrieben wird. Auch diese Zusatzkosten werden Unternehmen durch höhere Verkaufserlöse kompensieren wollen.
Die (unseres Erachtens) fehlende Handlungsmacht der EZB: Steigende Zinsen sind die größte Waffe der Zentralbanken gegen eine zu hohe Inflation, da sie die Spartätigkeit der privaten Haushalte fördern und den Investitionsdrang der Unternehmen senken. Doch die Europäischen Zentralbank (EZB) steht vor einem Dilemma. Erhöht sie die Zinsen, drohen einige Euro-Mitgliedsstaaten aufgrund der hohen Schuldenlast mit einem Test ihrer Zahlungsfähigkeit. Eine hohe Inflation wiederum hilft den Regierungen bei der Reduzierung (Stichwort „weginflationierung“) ihrer Verbindlichkeiten. Die EZB könnte sich daher gezwungen sehen, auch bei anhaltend hohen Inflationsraten die Füße still zuhalten.
Was spricht für fallende Inflation?
Die wenig organisierte Arbeiterschaft: Weiter oben haben wir bereits den Zusammenhang zwischen Lohnkosten und Inflation genannt. Als ein Hauptauslöser von Inflation gilt eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale. Doch die Gefahr einer solchen Spirale ist heute niedriger als noch vor einigen Jahrzehnten, da die Arbeiterschaft im Jahr 2021 nicht mehr so stark organisiert ist wie früher (Stichwort: sinkender Einfluss der Gewerkschaften).
Innovation: Neue technologische Entwicklungen wirken oft deflationär, denn es entsteht oft höherer Output für das gleiche Geld. Wenn Verbraucher ebendies für die Zukunft erwarten, dann könnten sie verstärkt Ersparnisse horten, was wiederum die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes senkt. Gleichzeitig sind Unternehmen gezwungen, alte und überholte Produkte zu Minipreisen auf den Markt zu werfen, was ebenfalls Preise senkt.
Einmaleffekte: Die rasant gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise, die neue CO2-Abgabe, die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer auf den ursprünglichen Satz – all das sind Effekte, die nur einmalig auf die Inflationsrate wirken. Ein Großteil der Störungen in den Lieferketten, die wir derzeit erleben, ist vergleichbar mit dem Klopapiermangel des letzten Jahres, als viele Menschen doppelt und dreifach über Bedarf einkauften. Auch diese Situation hielt nur kurze Zeit an.
Was bedeutet das alles für die Kapitalmärkte?
Egal, welcher Effekt sich auf lange Sicht durchsetzen wird: Geld auf dem Girokonto sowie auf Tages- und Termingeldern wird in jedem Fall langfristig von der Inflation aufgefressen. Derzeit werden sogar Gelder, die in 10-jährigen deutschen Staatsanleihen liegen, niedriger „verzinst“ als die Inflation zu Buche schlägt. Die Folge: Kein realer Kaufkrafterhalt durch vermeintlich sichere Anlagemöglichkeiten!

In der Vergangenheit war dies nicht immer so, doch bereits seit einigen Jahren erleiden Anleiheinvestoren einen realen Vermögensverlust. Aktien hingegen sind ein guter Schutz gegen Inflation, sofern die jeweiligen Unternehmen auf entstehende Inflation mit Preiserhöhungen reagieren können, was wiederum die Gewinne erhöht und im Endeffekt den Aktienkurs nach oben treibt. Daher fließen immer höhere Geldbeträge in Aktienanlagen und führen zu dem gewünschten Effekt steigender Kurse. Unabhängig, ob Sie nun an künftig sinkende oder steigende Inflation glauben: Solange der Zustand der gezeigten Grafik (also Inflation höher als Rendite 10-jähriger deutscher Staatsanleihen) vorherrscht, wird der Trend zu Aktienanlagen wohl anhalten. Allerdings ist Vorsicht geboten, denn wenn die Zentralbanken gezwungen werden, die Leitzinsen zur Inflationsbekämpfung überraschend und schnell anzuheben, könnte dies am Aktienmarkt kurzfristig überhaupt nicht gut ankommen. Dies ist ein Risikoszenario, welches im Jahr 2022 im Blick behalten werden sollte.
Was kommt? Wir wissen es nicht!
Wird die Inflationsrate weiter klettern oder wieder sinken? Wir wissen es (alle) nicht. Am Ende liegt der größte Inflationstreiber in den Erwartungen der Bevölkerung und der Unternehmen. Erwarten sie Inflation, verhalten sie sich dementsprechend, und lösen allein dadurch Preissteigerungen aus (sog. Selbsterfüllende Prophezeiung). Genau das ist übrigens der Grund, warum sich die EZB so sehr darin übt, die Inflation als vorübergehend zu bezeichnen: Sie möchte die Erwartungen in Schach halten.