Die Volatilität als Puzzleteil

Auf die Frage, wie wir unsere hauseigene Vermögensverwaltung eigentlich steuern, antworten wir häufig: Wir puzzeln!

Im Rahmen unserer taktischen Allokationsentscheidungen beobachten wir gemeinsam mit unserem Allokationsberater eine Vielzahl an einzelnen Kapitalmarktindikatoren. Dies ist mit einem Puzzle vergleichbar, bei welchem jedes Puzzleteil in die Hand genommen wird, um zu analysieren, wo es denn hinpassen könnte, um das passende Puzzle zusammen zu setzen. Wir stellen uns bei den Kapitalmarktindikatoren die Frage, in welchem Trend sich der jeweilige Indikator bewegt. Sofern eine Vielzahl an Indikatoren sich in einem mittelfristigen und positiven Trend befinden, fügen wir die Teile zu einem großen passenden Puzzle zusammen und allokieren möglichst offensiv im Rahmen der Anlagestrategie. Ein Puzzleteil ohne klaren und positiven Trend wird hingegen als „unpassend“ eingestuft. Erhalten wir viele „unpassende“ Puzzleteile (sodass kein vollständiges „passendes“ Puzzle entsteht) allokieren wir defensiv – so wie derzeit.

Ein konkretes Beispiel: Der Indikator „Volatilität“

Mit einem Blick auf den Indikator „Volatilität“ möchten wir Ihnen hierfür ein konkretes und aktuelles Beispiel geben. Der „VIX“ misst die erwartete (implizite) Volatilität des US-Standardindex S&P 500. Dabei sind der VIX und der S&P500 normalerweise negativ korreliert. Dies bedeutet, dass die Aktienkurse steigen während hingegen die Volatilität sinkt. Dies lässt sich dadurch erklären, dass in Phasen steigender Aktienkurse die Nachfrage nach Absicherungsinstrumenten (z.B. Verkaufsoptionen) normalerweise nachlässt und damit deren Optionsprämie sinkt, was zu einer niedrigeren erwarteten Volatilität führt. Nachfolgend der Verlauf der beiden Indizes in den vergangenen fünf Monaten:

Quelle: guidants, Zeitraum 05.05.2020 – 30.09.2020

Im August war ein besonderes Muster erkennbar

Ab Mitte August bis Anfang September konnte jedoch ein anderer Verlauf von S&P 500 und VIX beobachtet werden (siehe Markierung), denn beide Indizes liefen in die gleiche Richtung – nach oben. Dabei erreichte der S&P 500 mit teils großen Sprüngen einen historischen Höchststand. Wie wir heute wissen, steigerte dies die Nachfrage nach Optionen auf zweierlei Art: offensive Anleger (Privatinvestoren aber auch institutionelle Investoren) sprangen mittels Kaufoptionen auf den Aufwärtstrend auf, aus Angst, die Rally zu verpassen. Gleichzeitig sicherten defensive Anleger ihre Kursgewinne mit Blick auf die hohen Bewertungen und Angst vor einem saisonalen Einbruch (Stichwort: schlechte Börsenmonate September & Oktober) mittels Verkaufsoptionen ab. Da sich die Gegenpartei eines Verkaufsoptionsgeschäfts grundsätzlich über den Verkauf der Aktie gegen Kursverfall absichert, dürfte die starke Nachfrage nach Verkaufsoptionen ein bedeutender Treiber der dann einsetzenden Korrektur des S&P500 im September gewesen sein.

Wie werten wir dieses besondere Muster im Hinblick auf unsere Allokation?

Ein besonderes Muster führt nicht zwangsläufig zu fallenden Aktienmarktnotierungen. Sie können dies am obigen Chart ebenfalls gut erkennen: Nicht immer führt steigende Volatilität bei gleichzeitig steigenden Aktienkursen im Anschluss zu fallenden Notierungen. Dennoch ist festzuhalten, dass sich die Volatilität im Zuge steigender Aktienmarktnotierungen nicht wie erwartet verhielt. Daher wurde dieses Puzzleteil ab Mitte August als „unpassend“ eingestuft. Da es nicht das einzige „unpassende“ Puzzleteil war (wir beobachten etwas über 100), kam kein großes Puzzle zustande und daher gab es für uns keinen Anlass, die Aktienquoten in unseren Vermögensverwaltungsstrategien zu erhöhen. Wir hoffen, wir konnten anhand dieses Beispiels darlegen, wie die taktische Allokation in unserer Vermögensverwaltung gesteuert wird. Ja, es stimmt: Wir puzzeln!