Wie lange hält die Outperformance der Euro-Börsen an?

Sie kennen den nachfolgenden Chart bereits aus vorangegangenen Blogs – nämlich den Vergleich des DAX und des US-Leitindex S&P500 (im nachfolgenden Chart zur besseren Vergleichbarkeit als „Total Return-Variante“). Und da reibt man sich durchaus verwundert die Augen, denn während der deutsche Leitindex nahe Rekordhoch handelt, droht der US-Index „abzukippen“ – auch den sogenannten „Magnificent 7“ zum Trotz:

 

Quelle: GIS/vwd, Zeitraum 01.01.2024 – 25.03.2025, 14h.

 

Was ist die Erklärung für diese Entwicklung? Auch wenn man häufig hört „Politische Börsen haben kurze Beine“ muss man dennoch der Politik einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung zugestehen. Denn was sich zur Zeit unter aller Augen abspielt, hat das Potential für ganz große Verschiebungen in der Welt – auch an den Finanzmärkten.

Zölle sind nicht das große Problem!

Man kann die Position einnehmen, dass die Zölle das Problem sind und vielleicht alles gar nicht schlimm wird. Die USA sind ein gigantischer Binnenmarkt, damit dürfte ein guter Teil der Preissteigerungen aus Zöllen verwässert werden. Zudem können Unternehmen flexibel agieren. Zum Beispiel könnte BMW mehr SUVs (Produktion in den USA) als Limousinen (Produktion in der EU und Mexiko) verkaufen. Doch das Problem geht wohl tiefer und ist deutlich umfassender.

Nein: Ethisch und moralisch werden geltende Werte zerstört

In den USA werden eherne Prinzipien der freien Welt angegriffen: Der Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, Checks and Balances. Beispiele gefällig? Kennen Sie sicher, dennoch eine kurze Auflistung:

  • Zölle: An einem Tag eingeführt, am nächsten Tag gestrichen. Das alles ohne Parlament, ohne Verhandlung mit Handelspartnern oder Unternehmen und oft ohne ausreichend zeitlichen Vorlauf
  • Bundesbehörden: Massenentlassungen und Auflösungen, zum Teil ohne bisherige Aufgaben neu zu regeln, ohne Betroffene bzw. Angestellte zu ausreichend hören und darüber hinaus Ikonen des Rechtsstaats wie FDA, SEC, FBI oder die CIA zu beschädigen (was nicht bedeutet, dass eine Rückführung von Bürokratisierung per se schlecht wäre, aber das WIE und WO und WIE UMFANGREICH ist bedenklich…)
  • Wer „Golf von Mexiko“ sagt statt „Golf von Amerika“ fliegt aus der Pressekonferenz des Oval Office. Dies zum Thema „Free Speech“, die es ja in Europa angeblich nicht mehr gibt (gemäß der Rede des US-Vize-Präsidenten auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar 2025)
  • Dealmaking mit Russland: Die Posse um die Ukraine, immerhin ein Land, das die gleichen Werte leben will wie die USA seit 250 Jahren, zeigt das wahre Gesicht der neuen US-Regierung: Hauptsache, der US-Präsident kann Friedensstifter sein, (fast) egal zu welchen Konditionen und (fast) egal mit welchen mittelfristigen strategischen Konsequenzen sowohl für die USA als auch für die westliche Welt

Als Fazit bleibt: Die Lage hat sich rasend schnell dramatisch geändert. Und man sollte nicht annehmen, dass dies allein das Werk des US-Präsidenten ist: Anscheinend ist er eher die Galionsfigur von Menschen, welche ihre persönliche Agenda gemeinsam mit ihm umsetzen können. Was bedeutet, dass nach vier Jahren dieses „neue Normal“ nicht zu einem Ende kommen muss.

Was kann davon relevant für die Kapitalmärkte sein? Alles!

Ein ganz wichtiges Asset eines Landes aus Investorensicht ist die Rechtstaatlichkeit und die Verlässlichkeit. Beides ist in den USA empfindlich getroffen und dies vor dem Hintergrund, dass Investoren bisher bereit waren, hohe Bewertungen für den US-Dollar als globale Leitwährung sowie für US-Aktien zu bezahlen. Aber Verschlechterung bei Rechtstaatlichkeit, politischer Stabilität und der Wirtschaftspolitik werfen die Frage auf, warum künftig noch eine Bewertungsprämie bezahlt werden soll.

Rechtstaatlichkeit wird ein noch knapperes Gut in der Welt

An dieser Stelle ein kleiner Exkurs: Die Schweiz hat eine Demokratie, die ein paar Jahrhunderte älter ist als die der USA. Die Schweiz ist in Bezug auf die Weltbevölkerung rechnerisch nicht bedeutend, und dennoch mit einer Währung ausgestattet, welche gemäß dem Ansatz der Kaufkraftparität deutlich überbewertet ist. Das ist die Prämie für Stabilität und Sicherheit, die man in einem freiheitlichen System erzielen kann. Und diese Regionen sind rarer geworden in der Welt, was auch erklärt, weshalb die Goldpreise auf Allzeithoch stehen – und weshalb viele Investoren nun neben der Schweiz wieder auf die EU blicken, welche demselben Wertesystem angehört.

“When the facts change, I change my mind – what do you do, Sir?” (John Maynard Keynes)

Zugegeben: Die EU war damit beschäftigt, die Welt zu einem besseren Ort zu machen: Sozial, umwelt- und ressourcenschonend, nicht-diskriminierend und darauf wurde mit viel Vertrauen eine unendliche Akribie in der Bürokratie geschaffen, die letzten Endes über das Ziel hinausgeschossen ist und zur Wachstumsschwäche der letzten Jahre geführt hat. Die „Zeitenwende“ ist alternativlos, es gibt nun andere Prioritäten. Wenn die hohe Leistungsfähigkeit und -bereitschaft in andere Bahnen gelenkt wird, hat dies vermutlich ein enormes Potential! Strukturreformen, welche Unternehmen unterstützen statt behindern, welche Kosten sparen und Umsätze bringen. Infrastruktur- investitionen mit der Möglichkeit von Abstrahl-Effekten in die gesamte Volkswirtschaft, mit höheren Zinsen und einer strukturell profitableren Finanzindustrie. Das ist alles nicht garantiert, aber die Voraussetzungen dafür waren seit langer Zeit nicht mehr so gut.

Massive Underperformance gegen die USA über einen langen Zeitraum

Wenn eine Aktie besser als erwartete und eingepreiste Wachstumsraten erzielt, steigen nicht nur die Gewinne, sondern es steigen auch die Bewertungen. In die Gegenrichtung funktioniert das genauso. Es besteht die Fantasie, dass die EU ihre Wachstumsschwäche überwinden kann, und für die USA wird es hingegen schwierig sein, die hohen Erwartungen weiterhin zu übertreffen. Wenn sich diese Trends fortsetzen, sind die Bewertungsdiskrepanzen zwischen US-Aktien und EU-Aktien, die immer noch auf einem Rekordhoch sind, nicht mehr gerechtfertigt. Und dann besteht durchaus die Möglichkeit, dass die aktuelle Outperformance der EU-Aktien inklusive des DAX noch weiter anhalten. Immerhin gab es derartige Phasen immer wieder in den letzten Jahrzehnten:

Quellen: Frankfurt Performance Management (FPM), dpa-AFX, DZ Bank AG, Wikipedia

Disclaimer: Dieses Dokument wurde durch die Volksbank Kraichgau eG erstellt. Es dient ausschließlich lnformationszwecken und stellt weder ein öffentliches Angebot noch eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots zum Erwerb von Wertpapieren oder Finanzinstrumenten dar. Dieses Dokument ist keine Finanzanalyse. Alle hierin enthaltenen Bewertungen, Stellungnahmen oder Erklärungen sind diejenigen des Verfassers des Dokuments und stimmen nicht notwendigerweise mit denen dritter Parteien überein. Die Volksbank Kraichgau eG übernimmt keine Haftung für unmittelbare oder mittelbare Schäden, die durch die Verteilung und/oder Verwendung dieses Dokuments verursacht werden und/oder mit der Verteilung und/oder Verwendung dieses Dokuments im Zusammenhang stehen. Eine Investitionsentscheidung bezüglich irgendwelcher Wertpapiere oder sonstiger Finanzinstrumente sollte auf der Grundlage eines Beratungsgesprächs sowie Prospekts oder Informationsmemorandums erfolgen und auf keinen Fall auf der Grundlage dieses Dokuments. Die Inhalte dieses Dokuments entsprechen dem Stand zum Zeitpunkt der Erstellung des Dokuments. Sie können aufgrund künftiger Entwicklungen überholt sein, ohne dass das Dokument geändert wurde.