Das erste Halbjahr 2023 liegt hinter uns und es hatte durchaus einige Überraschungen parat. Es gab zum ersten Mal seit der großen Finanzmarktkrise 2008 wieder Bankenpleiten (z.B. der Zusammenbruch der SVB Financial Group, immerhin 16. größte Bank der USA). Es gab einen monatelangen Streit über die Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA (was wichtig war, um eine Zahlungsunfähigkeit der USA zu verhindern). Der Hype um „Künstliche Intelligenz“ ging in die nächste Runde, nachdem prominente Unternehmen über die neuen Wachstumschancen berichteten, welche sich mit ChatGPT und ähnlichen Anwendungen in der Zukunft bieten werden. Ach ja: In Europa herrscht übrigens weiterhin Krieg und in den USA beginnen die Vorbereitungen für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr.
Und es endete die 166-jährige Geschichte der Credit Suisse
Eine Sache haben wir noch vergessen: Es wurden nicht nur kleinere (und in Europa kaum bekannte) US-Regionalbanken „abgewickelt“. Nein, dieses Schicksal ereilte auch die schweizer Großbank Credit Suisse, welche von ihrer Dauerrivalin, der UBS, übernommen wurde. Es war also einiges geboten in diesem ersten Halbjahr. In vielen Gesprächen erlebten wir verunsicherte Kunden, was angesichts dieser genannten Themen auch nicht verwundert. Doch wie so oft in der Vergangenheit haben sich die Kapitalmärkte sehr resilient gegenüber allen Einflussfaktoren gezeigt und unbeirrt an ihrem Weg festgehalten: Dem Weg nach oben, also in Richtung positive Erträge. Sehen Sie selbst die Wertentwicklung ausgewählter Indizes im Zeitraum 01.01.23 – 30.06.23:
Die Grafik zeigt eindrücklich: Aktien haben eine tolle Entwicklung hingelegt, am Anleihemarkt hat sich der massive Zinsanstieg aus 2022 nicht fortgesetzt (sodass hier nun wieder positive Renditen erzielt wurden), Gold profitierte von seinem Ruf als Krisenwährung und der EUR konnte gegenüber dem USD leicht zulegen. Allerdings lohnt es sich angesichts der hohen Kursgewinne der Aktienindizes, etwas tiefer in den Markt zu blicken. Und hier offenbart sich eine Situation, die nach vorne geblickt durchaus Fragen aufwirft: Insbesondere in den USA wurde der Aktienmarkt im ersten Halbjahr stark von den sog. „Mega Caps“, also von Amazon, Apple, Alphabet (Google), Microsoft, Tesla, NVIDIA und Meta nach oben getrieben. Dies verdeutlicht die nachfolgende Grafik, welche die Wertentwicklung der Aktien in den USA gemessen an ihrer Marktkapitalisierung zeigt:
Der S&P500 konnte in USD gerechnet 16% zulegen. D.h. die Mega-Caps stiegen doppelt so stark, alle anderen Größenordnungen blieben hinter dieser Entwicklung zurück. Es ist denkbar, dass in der zweiten Jahreshälfte auch die übrigen Aktien in den USA der positiven Performance der Mega-Caps folgen. Dann erleben wir eine Wiederholung dessen, was wir schon in den ersten sechs Monaten bestaunen durften. Es ist aber auch im Bereich des Möglichen, dass zu hohe Zukunftserwartungen in zu kurzer Zeit eingepreist wurden, sodass hier Korrekturbedarf besteht. Doch der Kapitalmarkt hat mehr zu bieten als Aktien, weshalb wir nachfolgend einen Blick auf die Kursentwicklung von Gold, Öl (Sorte WTI), EUR/USD sowie die Renditeentwicklung 10-jähriger deutscher Bundesanleihen werfen möchten:
Mit all diesen Grafiken und Zahlen ist die Entwicklung des Kapitalmarktes gut einzuordnen. Allerdings stellt sich die Frage: Was waren bzw. was sind die Gründe für diese Entwicklung? Aus unserer Sicht ist folgende Begründung nachvollziehbar: Die Kapitalmärkte haben den Rückgang der Inflation und das Ende der Leitzinsanhebungen durch die Notenbanken eingepreist. Dass die Inflation bereits kräftig gesunken ist sehen Sie am Verlauf der US-Inflation, welche wir zusätzlich noch in ihre einzelnen Komponenten (Preise für Lebensmittel, Energie, Dienstleistungen und Waren) zerlegt haben:
Die Inflation in den USA ist von rund 9% innerhalb von einem Jahr auf nun rund 4% gefallen und nähert sich somit so langsam wieder dem Zielwert der US-Notenbank Federal Reserve („FED“) an. Somit ist es aus Sicht der Marktteilnehmer logisch, dass die restriktive Geldpolitik demnächst ihr Ende findet und sich die Wirtschaft wieder „normal“ entwickeln kann. Ob dies dann so kommt und welche neuen Überraschungen und Wendungen auf uns warten, das wird und dann das zweite Halbjahr zeigen.