Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen (komplettes Zinsband) am gestrigen Donnerstag wie erwartet um 25 Basispunkte (=0,25%) angehoben. Der Leitzins liegt nun bei 4,0%, der Einlagesatz der Banken steht bei 3,5%. Sehr klar hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde darüber hinaus einen weiteren Zinsschritt für Juli 2023 angekündigt, sollten sich nicht massive Überraschungen in der Datenlage ergeben. Weitere EZB-Zinsschritte sind stark abhängig von Inflationsentwicklung und -dynamik. Im Mai ging die Teuerung (HVPI) im Euro-Raum kräftig auf 6,1% gegenüber Vorjahr zurück, die Kernrate sank ebenfalls spürbar von 5,6 auf 5,3%. In einzelnen Ländern wie Belgien, Spanien und Luxemburg lag die Teuerung bereits wieder unter 3%. Bei Waren verstärkt sich der disinflationäre Druck:
- die Rohstoffpreise sinken weiter
- die Lieferkettenprobleme sind großteils Geschichte
- die Preise auf Produktionsvorstufen (Produzenten- und Importpreise) sinken sogar gegenüber Vorjahr.
Sollte sich diese Tendenz im Juni verfestigen, dürfte das die Argumente für mehrere weitere Zinsanhebungen abschwächen.
Die Projektionen (Erwartungen) der EZB sprechen eine andere Sprache
Die neuen Inflations-Projektionen des EZB-Stabes tragen dem allerdings kaum Rechnung, sondern zeigen über den gesamten Horizont bis 2025 hinweg sogar höhere Teuerung. Die EZB befürchtet eine sich verfestigende Inflation vor dem Hintergrund des starken Arbeitsmarktes. Insbesondere die spürbare Beschleunigung bei den Tariflöhnen (allerdings inklusive Sonderzahlungen), die niedrige Arbeitslosigkeit und die hohen Unternehmensmargen spielen dabei eine maßgebliche Rolle. Eine Lohn-Preis-Spirale sehe man aber nicht.
(Zins-) Pause hingegen in den USA
Nach zehn aufeinanderfolgenden Zinsanhebungen seit März 2022 entschied sich die US-Notenbank Federal Reserve (FED) auf ihrer Juni-Sitzung am Mittwoch hingegen für eine Beibehaltung des auf dem im Mai erreichten Leitzinsniveaus von 5% bis 5,25%, stellte zugleich aber eine Fortsetzung des Zinsanhebungzyklus in Aussicht. Die im sogenannten „dot plot“ veröffentlichten Zinserwartungen der einzelnen FED-Vertreter haben mit einer Mehrheit für zwei weitere Zinsschritte von 25 Basispunkten bis zum Jahresende dennoch in ihrer Schärfe überrascht. Im Verlauf der anschließenden Pressekonferenz relativierte FED-Präsident Jerome Powell diesen Eindruck jedoch etwas. Zwar sagte er, dass es Sinn machen könne, die Leitzinsen zukünftig weiter zu erhöhen. Auf der anderen Seite verteidigte er aber die aktuelle Entscheidung, die Zinsen vorerst unverändert zu belassen, da die „terminal rate“ als finaler Zinszenit und die Geschwindigkeit auf dem Weg dorthin zwei verschiedene paar Stiefel wären. Außerdem wolle die FED die Inflation mit „so wenig Schäden für die Volkswirtschaft wie möglich“ herunterbringen und „dieses Mal ohne größere Jobverluste“ wie in vergangenen Zyklen. In den vierteljährlich veröffentlichten Projektionen hoben die FED-Vertreter ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 0,4% auf 1,0% deutlich an und revidierten die zum Jahresende erwartete Arbeitslosenquote – welche im Mai vom Langfristtief von 3,4% auf 3,7% anstieg – von 4,5% auf 4,1%. Die Prognose der PCE-Inflation wurde von 3,6% auf 3,9% angehoben, was nahezu einer Fortsetzung der bisher hartnäckigen Preisdynamik bis Jahresende entspricht.
Die Leitzinsentwicklung sieht nun wie folgt aus
Wie haben die Kapitalmärkte auf die Zinsentscheidungen reagiert?
„Business as usual“ könnte man meinen. Die Renditen langlaufender Staatsanleihen bewegten sich weiterhin im Seitwärtsband, welches seit rund 2 Monaten vorherrscht. Der EUR konnte aufgrund der sinkenden Zinsdifferenz gegenübe dem USD zulegen und die Aktienmärkte kennen derzeit ohnehin nur eine Richtung. Sehen Sie selbst:
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