„High Noon“ am 03.11.2020 – Ausblick auf die US-Wahl

In verschiedenen Umfragen zur US-Präsidentschaftswahl hat der demokratische Herausforderer Joe Biden derzeit im Durchschnitt einen Vorsprung von rund neun Prozentpunkten gegenüber dem republikanischen Amtsinhaber Donald Trump. Damit zeichnet sich ab, dass der amtierende US-Präsident ein kleines Wunder benötigt, um den Kampf ums Oval Office erneut für sich zu entscheiden.

Trump´s größter Widersacher: Das Corona-Virus

In politikaffinen Kreisen ist man sich derzeit fast einig: Man könne so gut wie alles und jeden gegen den amtierenden US-Präsidenten antreten lassen und würde die Wahl dennoch für sich entscheiden. Die Begründung hierfür ist, dass das Krisenmanagement von Donald Trump seit Ausbruch der Corona-Pandemie fast völlig versagt. Trumps Strategie gegenüber der Pandemie war stets das Herunterspielen der Ernsthaftigkeit der Situation für das soziale und wirtschaftliche Leben der Amerikaner, doch diese Strategie scheint nicht aufzugehen. Zu sichtbar sind die Folgen der Pandemie und die Einschnitte für den Alltag der meisten Wählerinnen und Wähler. Auch das übliche Vermarkten seiner Politik und das häufige Verdrehen von Fakten vermochten ihm im bisherigen Wahlkampf wenig zu helfen.

Quelle: www.pewresearch.org

Auch die Wahlkampfagenda zeigt keine klare Richtung

Im Jahr 2016 fokussierte sich Donald Trump auf die wachsenden Ressentiments der US-Mittelschicht gegenüber dem „elitären“ Washingtoner Establishment und gab vor allem der Arbeiterklasse, die sich von großen Teilen der übrigen Gesellschaft und von der Politik abgehängt fühlte, eine Stimme. Alles in allem charakterisierte er sich als Outsider im politischen System, der die Nöte des Volks erkannt hat. Im aktuellen Wahlkampf ist diese klare Richtung bisher nicht zu erkennen. Als Feindbild werden „Linksradikale“, welche für die „Black Lives Matter“-Bewegung verantwortlich sein sollen, ins Visier genommen. Und natürlich wird unnachgiebig gegen China „getwittert“. Nahezu alle Umfragen zeigen allerdings, dass die Corona-Pandemie für die Amerikaner das mit Abstand wichtigste Thema ist und ausgerechnet dieses wird von Trump stets marginalisiert.

Wer gewinnt denn nun?

Der demokratische Herausforderer liegt derzeit deutlich vorne. Und sofern er in den verbleibenden Wochen keine großen Fehler begeht, sollte er nach aktuellem Stand der Dinge die Wahl gewinnen. Die Prognose des Wahlmännerkollegiums basierend auf den durchschnittlichen nationalen Umfragewerten lautet derzeit wie folgt:

Quelle: realclearpolitics.com, Stand 15.10.2020

Natürlich sollte Donald Trump nicht vorschnell abgeschrieben werden und ein erneuter Wahlsieg für ihn ist noch immer möglich. Doch denjenigen, die ein Déjà-Vu zu 2016 und der Hillary-Clinton-Kampagne sehen, sei gesagt, dass Joe Biden und Hillary Clinton zwei sehr unterschiedliche Kandidaten sind. Hillary Clinton verkörperte 2016 all das, was Trump als das Establishment gebrandmarkt hatte und sie wirkte abgehoben und nicht volksnah. Dies ist ein großer Vorteil von Joe Biden: er ist als Mensch und Politiker deutlich weniger polarisierend und bietet Trump dadurch nahezu keine Angriffsfläche.

Wie würden die Aktienmärkte auf einen Wahlsieg Joe Bidens reagieren?

Fakt ist: Demokraten und Republikaner unterscheiden sich inhaltlich bei wirtschaftspolitischen Themen nicht gravierend. Zwar plant Joe Biden die Unternehmenssteuer wieder von 21 Prozent auf 29 Prozent anzuheben, doch dürfte dieser Effekt in Erwartung seines Wahlsieges bereits weitgehend eingepreist sein. Da gleichzeitig zu erwarten ist, dass ein demokratischer Präsident eine großzügigere Fiskalpolitik auf den Weg bringen wird, dürften sich die negativen und die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen eines Präsidentenwechsels in etwa ausgleichen. Allerdings ist damit zu rechnen, dass ein demokratischer Präsident wieder zu einer globalisierten Ausrichtung der USA zurückkehren und internationale Abkommen und Institutionen anerkennen wird. Dies hätte positive Implikationen für den globalen Handel und somit auch für die weltweiten Wachstumsaussichten. Ein Umfeld also, in welchem Aktien sich, mittelfristig betrachtet, prosperierend entwickeln könnten.