GameStop – oder Klein gegen Groß

Es gibt bereits viele Metaphern für die Ereignisse der vorletzten Woche: David gegen Goliath oder Robin Hood gegen König John. Die Rede ist von den Privatanlegern, die sich über die Community „WallStreetBets“ zu abgesprochenen Käufen von Aktien, insbesondere des Unternehmens GameStop, zusammenfanden. Durch die kontinuierlichen Käufe der Aktien zwang die Community professionelle Hedgefonds, welche die Aktien leer verkauft hatten, ihre sogenannte „short“-Positionen durch Käufe der Aktie zu schließen. In der Fachsprache werden solche Vorgänge „Short-Squeeze“ genannt, da durch den immer weiter steigenden Kurs immer mehr Hedgefonds bestehende short-Positionen mittels weiterer Käufe schließen müssen. Als Bild sieht dies dann so aus:

Quelle: guidants, Zeitraum 04.01.2021 – 10.02.2021, in USD

Inzwischen wird an der Wallstreet von Verlusten mehrerer bekannter Hedgefonds in der Größenordnung von rund 70 Mrd. USD gesprochen. Eine durchaus beachtliche Größenordnung, immerhin betrug das Volumen des Hedgefonds LTCM, dessen Pleite im Jahr 1998 zu einem Schock an den weltweiten Börsen führte, rund 120 Mrd. USD.

Was waren die Motive der Community?

Einige Tage nach den Ereignissen ist ersichtlich, dass die Mobilisierung der Anleger keinesfalls zufällig geschah. Einige „Insider“ mit umfangreicher Erfahrung und Vertrautheit mit den Spielregeln an der Wallstreet wählten die betroffenen Unternehmen, im Bewusstsein um das Engagement der jeweils engagierten Hedgefonds, präzise aus und brachten nicht nur Spezialwissen in die Community ein, sondern gaben auch konkrete Empfehlungen, wie mit den vorgeschlagenen Positionen vorgegangen werden sollte.

Die „Short Interest / Float Ratio“

Eine weitverbreitete These lautet, dass sich die Insider der Community an der Kennzahl „Short Interest / Float Ratio“ orientiert haben. Diese Kennzahl (Ratio) beschreibt die Anzahl der leerverkauften Aktien im Verhältnis zur Gesamtanzahl der Aktien (Streubesitz). Generell wird nach unserer Recherche eine Ratio ab 30% bereits als sehr hoch eingestuft. Bei GameStop stand diese Kennzahl Ende Dezember 2020 bei 260% (!). Bei einem Streubesitz der GameStop-Aktie von etwa 50 Millionen waren demnach Ende Dezember 130 Millionen Aktien leerverkauft.

Eine Erklärung: Illegale „Naked Shorts“

Bei dieser Größenordnung drängt sich unweigerlich der Verdacht auf, dass es sich bei einem signifikanten Teil der Leerverkäufe um illegale Naked Shorts (ungedeckte Leerverkäufe) handelt. Die Idee von Naked Shorts ist einfach: Der Leerverkäufer verkauft Aktien, die er nicht besitzt und sich auch nicht ausleihen konnte oder wollte. So entstehen Aktien, die es eigentlich gar nicht gibt. Aus strafrechtlicher Sicht entspricht das dem Tatbestand des Inverkehrbringens von Falschgeld. Auch wenn Naked Shorts an der Wallstreet und in Europa durch die Börsenaufsicht SEC bzw. ESMA streng überwacht sind, kommt es dennoch immer wieder vor. Ein Indiz hierfür ist die von den Börsen berichtete Kennzahl Fail-to-Deliver, welche die Zahl der Aktien ausweist, für die ein Geschäft stattgefunden hat, aber das Aktienpaket anschließend nicht geliefert werden konnte.

Wir erwarten, dass der Fall „GameStop“ kein Einzelfall bleibt, aber…

Wenn es wie im Fall GameStop unerwartet zum Phänomen eines „Short-Squeeze“ kommt, werden Leerverkäufer zur Eindeckung gezwungen. Durch die zwangsläufig eskalierenden Fail-to-Deliver Ereignisse wird dann nicht nur das Ausmaß der illegalen Praxis deutlich, sondern auch transparent, welche Akteure daran beteiligt sind. Ging es den Initiatoren eventuell darum, eben diese Transparenz zu erzwingen? Sollte dies der Fall gewesen sein, dann werden neue „Angriffe“ vermutlich nicht lange auf sich warten lassen. Denn einerseits hatte die Community durchaus Erfolg, andererseits werden die „Shorties“ unter den Hedgefonds ihr Geschäftsmodell sicher nicht einstellen. Wir könnten es uns auch gut vorstellen, dass der ein oder andere Hedgefondsmanager sich künftig ebenfalls der Community „WallStreetBets“ anschließt, um rechtzeitig gewarnt zu sein. Dies würde dann eventuell dazu führen, dass künftige „Angriffe“ zwar weiterhin stattfinden, die Auswirkungen allerdings nicht mehr so dramatisch wie bei GameStop ausfallen werden.

Quellen: www.gamestop.com, Bloomberg, sentimentrader.com, Persephone Finance