Finanzdrama in London

Großbritannien kommt nicht zur Ruhe. Nach dem Tod der Queen spielt sich nun ein Drama am Finanzplatz London ab. Auslöser sind die Steuersenkungspläne der Konservativen Partei. Insbesondere die Abschaffung des Einkommenssteuersatzes von 45% verursachte, in Verbindung mit dem Gesamtumfang des Steuerpakets (ca. 1,5% des BIP) und der verstärkten Emission von Staatsanleihen (zusätzlich 62 Mrd. GBP in den Jahren 2022-2023), Probleme für die Märkte. Schon vor Wochen wurde gewarnt, dass eine expansive Fiskalpolitik seitens der Regierung bei gleichzeitig restriktiver Geldpolitik durch die Bank of England zu Irritationen an den Kapitalmärkten führen würde, denn die geäußerten Pläne würden das Budgetdefizit und den Schuldenstand des Landes erhöhen.

Die Renditen gingen „durch die Decke“

Unmittelbar nach der Rede von Schatzkanzler Kwarteng, in welcher er die Steuersenkungspläne vorstellte, kam es am britischen Zinsmarkt zu heftigen Verkäufen: Die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen („Gilts“) stieg um über 30 Basispunkte auf 3,82% und die 30-jährige Rendite um 27 Basispunkte auf 4,06%. Zu Beginn der neuen Handelswoche kam es noch schlimmer, die Anleger in Staatsanleihen waren der Panik nahe. Die Renditen kletterten weiter, sodass sich die Bank of England in der Folge genötigt sah, zur Stützung (und Beruhigung) des Marktes einzugreifen. Den Verlauf der Rendite der 10-jährigen Staatsanleihe sehen Sie hier:

Quelle: stock3.com

Die Bank of England hat angekündigt, bis zu 15 Tage lang täglich bis zu 5 Mrd. GBP an langlaufenden Gilts zu kaufen. Dies soll insbesondere den Pensionsfonds helfen. Hierzu muss man wissen, dass diese Pensionsfonds den Markt für langlaufende Staatsanleihen dominieren, da sie mit deren Renditen ihre Verpflichtungen abdecken. Da dies in den vergangenen Jahren aufgrund des Niedrigzinsniveaus kaum noch möglich war, wurden zusätzlich derivative Strategien implementiert. Der seit Jahresanfang einsetzende Zinsanstiegstrend sorgte nun zum einen für Abschreibungen bei den Anleihen und zum anderen zu sogenannten Nachschusspflichten bei den Derivaten. Ein Teufelskreis, denn die Nachschusspflicht wird durch den Verkauf von Staatsanleihen bedient, was wiederum steigende Renditen zur Folge hat.

Krisen sind in Großbritannien nicht selten

Mit großer Aufmerksamkeit werden Finanzmarktakteure Anfang November die Sitzung der Bank of England verfolgen. Dennoch muss konstatiert werden, dass die Notenbank augenscheinlich vorerst die Lage beruhigen konnte. Dies ist auch am Verlauf des britischen Pfund (GBP) zu erkennen, welches zwar nach dem „Brexit“ im Juni 2016 gegenüber dem EUR deutlich abwertete, in den vergangenen Monaten jedoch stabil aufwertete. Beides haben wir in folgendem Chart entsprechend gekennzeichnet:

Quelle: stock3.com

Dafür, dass das britische Pfund eine der wenigen globalen Reservewährungen ist, hat es eine bemerkenswert volatile Geschichte. 1967 kam es zu einer Abwertung des Pfunds aufgrund einer Leistungsbilanzkrise, wenige Jahre später musste Großbritannien aufgrund einer Währungs- und Fiskalkrise um einen Kredit beim Internationalen Währungsfonds bitten. 1992 verließ Großbritannien nach nicht einmal zwei Jahren das Europäische Währungssystem, bei welchem die Wechselkurse in einem engen Band stabil gehalten werden sollten. Und den volatilen Verlauf des GBP seit dem „Brexit“ sehen Sie oben. Allerdings verbindet alle Krisen eine Gemeinsamkeit: Der Aktienmarkt fiel vor Eskalation der Krise und konnte in der Folge überdurchschnittlich hohe Renditen ausweisen. Und auch das britische Pfund ging gestärkt aus jeder Krise hervor. Wiederholt sich also das historische Muster, wären sowohl das britische Pfund als auch der britische Aktienmarkt mittelfristig interessant.

Quellen: www.welt.de, DZ Bank AG, stock3.com

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