Ein Blick auf das Corona-Hilfspaket der EU

Die Verhandlungsrunden um ein zusätzliches europaweites Corona-Wiederaufbauprogramm für die kommenden sieben Jahre zum EU-Haushalt gestalteten sich zäh. Erst am frühen Dienstagmorgen (21. Juli 2020) wurde eine Lösung gefunden. Im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission waren für das „Corona-Hilfspaket“ 500 Milliarden Euro an Zuschüssen und 250 Milliarden Euro an Krediten vorgesehen. Bereits im Vorfeld votierten die sogenannten “sparsamen Vier”, also Dänemark, Schweden, Österreich und die Niederlande dagegen. Und kurz nach Beginn der Verhandlung machten insbesondere Ungarn und Polen klar, dass sie keine Kopplung von EU-Geldern an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit akzeptieren würden.

Das Ergebnis ist…

Mit Zuschüssen von 390 Milliarden Euro und zusätzlichen Krediten in Höhe von 360 Milliarden Euro sollen die wirtschaftlichen Folgen in den besonders hart von der Corona-Epidemie getroffenen Mitgliedsstaaten abgemildert werden. Gleichzeitig soll die Auszahlung von EU-Geldern aus dem Haushalt künftig an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit gekoppelt werden, allerdings unter Nutzung einer Kompromissformel, um den Bedenken der osteuropäischen Staaten entgegen zu treten. Gleichzeitig werden die Rabatte für Netto-Beitragszahlungen in den EU-Haushalt erhöht. Darauf hatten insbesondere die sogenannten “sparsamen Vier” hingearbeitet.

…also rundum positiv, oder?

Positiv ist durchaus, dass gemäß Schätzungen von Union Investment das Hilfspaket in Höhe von 750 Milliarden Euro das Wachstum um bis zu einem Prozentpunkt pro Jahr für die nächsten drei Jahre erhöht. Die Kapitalmärkte werden dies sicher begrüßen. Die EU entwickelt sich zudem auch institutionell weiter. Denn die EU hat nun zukünftig die Möglichkeit, sich über eine eigene Kreditaufnahme am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Der Schuldendienst für diese neuen EU-Bonds wird dann über den EU-Haushalt abgewickelt, der künftig auch eigene Steuereinnahmen haben soll. Ab 2021 soll eine Steuer auf Einwegplastik eingeführt werden, ab 2023 sollen eine Digitalsteuer und eine CO2-Grenzsteuer hinzukommen. Die EU wird mit den Beschlüssen also erstmals zu einem eigenständigen Akteur in der Fiskalpolitik. Allerdings darf auch nicht vergessen werden, dass erneut – nach der Euro-Schuldenkrise im Jahr 2001 – ein echtes Finanztransfer-System zugunsten der schwachen Länder implementiert wird. Italien, das ursprüngliche europäische Epizentrum der Pandemie, wird wahrscheinlich der größte Nutznießer des Hilfspakets sein und erwartet nach ersten Schätzungen Zuschüsse in Höhe von rund 82 Milliarden Euro und Darlehen in Höhe von rund 127 Milliarden Euro. Und der schmerzlich lange Verhandlungsmarathon macht auch deutlich, wie gespalten die EU in Bezug auf die fiskalische Integration ist.

Das Gesamtpaket braucht allerdings die Billigung des EU-Parlaments

Das Gesamtpaket aus Hilfspaket und Haushalt beträgt rund 1,8 Billionen EUR und benötigt die Billigung des EU-Parlaments, das nun in einem Vermittlungsverfahren Änderungen durchsetzen will.  In einer von allen großen Fraktionen ausgehandelten Resolution formulierte das EU-Parlament seine Nachforderungen wie beispielsweise mehr Ausgaben für Forschung und Gesundheit. Ferner wünschen die Parlamentarier einen stärkeren Rechtsstaatsmechanismus, mit dem Staaten wie Ungarn oder Polen bei Einschränkungen von Justiz, Medien oder Demokratie die Subventionen aus Brüssel gekappt werden könnten. Die Entscheidung über die geforderten Änderungen des EU-Parlaments fällt wahrscheinlich erst nach der parlamentarischen Sommerpause im September.

Quellen: Bielmeiers Blog, Union Investment, ec.europa.eu