Die EZB kündigte in der gestrigen Sitzung für die kommenden Monate eine ganze Serie von Leitzinserhöhungen an und ging dabei gerade für die nähere Zukunft ungewöhnlich genau ins Detail. Elf Jahre nach der letzten Erhöhung sollen zum Auftakt die Leitzinsen bei der kommenden Sitzung am 21. Juli um 25 Basispunkte angehoben werden. Schon beim nächsten geldpolitischen Treffen am 8. September dürfte eine Erhöhung um 50 Basispunkte folgen. Ergänzend wurde bekannt gegeben, dass die Nettoanleihekäufe zum 1. Juli 2022 eingestellt werden. Dies wurde erwartet, denn im März und April wurde bereits kommuniziert, dass diese Käufe im dritten Quartal 2022 auslaufen sollen. Doch auch die Projektionen für die Inflation und das BIP-Wachstum wurden überarbeitet. So wurden die Prognosen für die Inflation deutlich angehoben (2022 von 5,1 auf 6,8% und für 2023 von 2,8 auf 3,5%). Und erstmals seit langer Zeit liegt die Prognose auf drei Jahre mit 2,1% über der Zielmarke von 2,0%. Damit wurde auch im Sinne der Strategie grünes Licht für höhere Zinsen erteilt. Bei den BIP-Prognosen hat der Stab ebenfalls größere Revisionen durchgeführt, auf nun 2,8% (-0,9) für 2022, 2,1% (-0,7) in 2023 und 2,1% (+0,5) für 2024.
Die Renditen 10jähriger Bundesanleihen schossen in die Höhe
Der Rendite-Anstiegstrend langlaufender deutscher Bundesanleihen ist schon seit längerer Zeit intakt. Nach den gestrigen Aussagen wurde die vor wenigen Tagen laufende Konsolidierung mit einem Renditesprung nach oben aufgelöst. Lag die Rendite 10jähriger deutscher Bundesanleihen zu Jahresbeginn noch leicht im negativen Terrain so schloss diese gestern bei +1,41%. Sehen Sie selbst:
Dies hat natürlich Auswirkungen auf die Kurse der (Bundes-)Anleihen. Diese fallen bei steigenden Renditen und sie fallen umso stärker, je länger die Laufzeit bis Endfälligkeit ist. Inzwischen weisen viele Anleihen zweistellige Verluste auf. In der nachfolgenden Grafik sind die relativen Kursverläufe verschiedener Anleihen europäischer Staaten mit einer Restlaufzeit von rund 9 Jahren ersichtlich:
Besonders auffällig: Die in dunkelgrau dargestellte Anleihe Italiens (Kursverlust in diesem Jahr rund 20%) verliert seit einigen Wochen deutlich mehr als Anleihen Deutschlands, Belgiens oder Finnlands. In Anbetracht der nun laufenden Zinswende kommen natürlich die Fragen nach der langfristigen Schuldentragfähigkeit der sogenannten „Peripheriestaaten“ wieder verstärkt zum Vorschein. Unter dem Überbegriff „EUR-Schuldenkrise“ hat dieses Thema bereits 2011 den Kapitalmarkt in Aufruhr versetzt, bis der damalige EZB-Präsident Mario Draghi mit seiner berühmten „whatever it takes“-Aussage im Sommer 2012 die Kapitalmärkte beruhigen konnte. Wir sind gespannt, ob sich die Geschichte wiederholt.