In dieser Woche wurden Anleger mal wieder daran erinnert, dass Risikoszenarien durchaus eine Daseinsberechtigung haben. Denn an wenigen Tagen wurden zum Teil die Renditen einiger Wochen vernichtet. Besonders erwischt hat es Aktien von schnell wachsenden Unternehmen, welche insbesondere im Technologiesektor zu finden sind. Wir haben ein konkretes Beispiel an dieser Stelle mitgebracht, eine Aktie welche sich auch in unseren Vermögensverwaltungsportfolios (je nach Anlagestrategie) sehr häufig wiederfindet: PayPal. Im nachfolgenden Kursverlauf PayPal´s (in USD) seit 30.12.2019 ist die Dimension der aktuellen Korrektur sehr gut zu erkennen:
Natürlich muss konstatiert werden, dass PayPal gegenüber den Tiefstständen Ende März 2020 bei rund 80 USD auf über 300 USD wahrlich explodierte. Und noch liegt der Kurs über dem Aufwärtstrend seit seinem Tiefpunkt im März 2020 und über der 200-Tage-Linie. Gemäß unserem Ansatz der „mittelfristigen Trends“ also noch alles in Ordnung. Dennoch tut die Korrektur der letzten Handelstage um rund 20% richtig weh. Bei anderen (Technologie-)Werten sehen die Rückschläge im Chart sogar noch schlimmer aus.
Was ist der Grund für diesen Abverkauf der Technologietitel?
Der Grund hierfür ist… nun, den „echten“ Grund kann niemand wissen. Außer, dass es an den vergangenen Tagen einfach mehr „Kapital“ gab, welches die Aktien verkaufen wollte, als „Kapital“, welches die Aktien kaufen wollte – Angebot und Nachfrage traf sich also zu niedrigeren Preisen. Dennoch springt dem Kapitalmarktbeobachter eine Entwicklung förmlich ins Auge, auf welche viele Analysten zu Jahresbeginn im Rahmen eines Risikoszenarios für das Jahr 2021 häufig hingewiesen haben: steigende Zinsen an den Anleihemärkten. Ein Aspekt hierfür ist sicher die Furcht vor steigender Inflation im Zuge der wirtschaftlichen Erholung, welche Experten für die Sommermonate erwarten. Sehen Sie nachfolgend die Renditeentwicklung 10jähriger US-Staatsanleihen (T-Bonds) seit 26.11.2018:
Nahezu lehrbuchmäßig: Das Renditetief wurde bei 0,50% erreicht, einige Monate später nochmals „bestätigt“ (sogenanntes second leg“), um nun wie an der Schnur gezogen in einem engen Aufwärtstrend nach oben zu marschieren. Und der Ausbruch aus diesem Aufwärtstrend fällt ziemlich genau zusammen mit den Korrekturen an den Aktienmärkten. Ist angesichts folgender Überlegung auch kein Wunder: Von schnell wachsenden Unternehmen wird erwartet, dass sie den überwiegenden Teil ihres Cashflows – und damit des Wertes, auf welchem der innere Wert der Aktie beruht – erst in Zukunft erwirtschaften. Diese zukünftigen Cashflows müssen nun mit einem höheren Zinssatz abgezinst werden. Dadurch verringert sich der heutige Wert der zukünftigen Cashflows. Also sind die Verkäufe schnell wachsender Aktien durchaus nachzuvollziehen. Interessant ist an dieser Stelle, dass nicht nur Aktien verlieren, sondern durch steigende Zinsen auch (in besonderem Maße) langlaufende Anleihen. Eine kleine Auswahl an Anleihen mit besonders hohen Verlusten seit Jahresanfang haben wir nachfolgend parat:
In der Vergangenheit konnte häufig folgender gefährlicher Mechanismus bei institutionellen Anlegern beobachtet werden: Um Verluste aus den Anleihebeständen auszugleichen, werden diejenigen Aktien mit den derzeit höchsten Kursgewinnen verkauft.
Ist die Party an den Aktienmärkten also nun vorbei?
Eines ist klar: Kurzfristig kann alles passieren, d.h. sowohl eine schnelle Gegenbewegung als auch fortgesetzte Verkäufe. Hier übernehmen nun Anlegerpsychologie und Computerhandel die Federführung. Ungemütlich wird es sicher werden, wenn die mittelfristigen Aufwärtstrends unterschritten werden – und dies wäre dann auch das Umfeld, in welchem wir in der Vermögensverwaltung unsere Allokationen verändern würden. Bis dahin „vertrauen“ wir auf die aktuelle Portfoliozusammensetzung und auf die Fakten: Die Geldpolitik ist expansiv, die Zinsen sind absolut und relativ betrachtet historisch niedrig, Aktien und Gold bieten einen gewissen Inflationsausgleich, Dividendenzahlungen vieler Aktiengesellschaften sind höher als die Renditen langlaufender Anleihen. Und da wir wissen, dass die Börse niemals eine Einbahnstraße sein wird, bleiben wir unserem mittelfristigen Steuerungsansatz treu.
Quellen: Union Investment, guidants.com, Bloomberg