Sell in May and go away – Nur ein Mythos oder doch die Wahrheit?

Einer der wohl ältesten Börsenmythen besagt im Mai, alle Aktien zu verkaufen und erst im September wieder einzusteigen. Aber hätte die Strategie dieses Jahr funktioniert? Wie viel Wahrheit steckt tatsächlich hinter dieser Strategie, und ist sie mehr als nur ein Mythos?

Ein Blick auf den diesjährigen Verlauf des Deutschen Aktienindex (DAX) zeigt schnell, dass es keine Garantie für den Erfolg dieser Strategie gibt. Garantien sind an der Börse generell Wunschdenken. Hätte man in diesem Jahr im Mai seine Aktienpositionen verkauft und bis Ende September gewartet, um wieder an den Markt zurückzukehren, wären einem fast 8% an Performance entgangen. Aber ist dieses Jahr nur ein Ausreißer?

“Time in the market” versus “timing the market”

Bei Anwendung der „Sell in May“ Strategie auf den Euro STOXX 600 von 1987 bis 2023 hätten Anleger tatsächlich eine annualisierte Performance von 9,0% erzielt.   Zum Vergleich: Eine einfache „Buy and Hold Strategie hätte im gleichen Zeitraum eine annualisierte Rendite von lediglich 7,2 % erbracht. Dies entspricht einer jährlichen Outperformance von 1,8 %.

In 22 der 36 Jahre schnitt die „Sell-in-May“ Strategie jedoch unterdurchschnittlich ab. Das entspricht über 60 %. Was ist also die Ursache für diese Outperformance?

Beim Blick auf die Jahre 1998, 2001 und 2002 liegt die Antwort auf der Hand. Diese drei Bärenmärkte traten nahezu genau im Zeitraum von Mai bis September auf, wodurch die „Sell in May“ Strategie in diesen Jahren erhebliche Verluste aussetzen und vom anschließenden Aufwärtstrend profitieren konnte. Lässt man diese drei Jahre unberücksichtigt, wäre die „Buy and Hold Strategie“ überlegen.

Zur Verdeutlichung genügt ein Blick auf folgenden Chartvergleich:

Quelle: Deutsche Bank Research

Historische Analyse und langfristige Perspektive:

Eine weiter zurückreichende Betrachtung des S&P 500 verdeutlicht dieses Bild noch weiter. Hier zeigte die „Sell in May“-Strategie in 70 % der Fälle eine schlechtere Performance als der Index insgesamt. Selbst die starken Einbrüche in den Jahren 1998, 2001 und 2002 führten nicht zu einer Outperformance, sondern im Gegenteil, wie der nachfolgende Chartvergleich illustriert.

Quelle: Deutsche Bank Research

 

Die Performancedaten zeigen also, dass der betrachtete Zeitraum entscheidend ist. Je weiter man in die Vergangenheit blickt, desto mehr relativiert sich der Einfluss der Bärenmärkte von 1998, 2001 und 2002. Die klassische „Buy and Hold“-Strategie bleibt überlegen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass zukünftige Bärenmärkte erneut im Zeitraum von Mai bis September auftreten, ist historisch betrachtet äußerst gering. Eine Anlagestrategie auf dieser Basis erscheint daher wenig sinnvoll.

Analysiert man die Performance der letzten rund 50 Jahre, erkennt man einen deutlichen Unterschied zwischen dem Zeitraum von November bis April und dem Zeitraum von Mai bis Oktober. So erzielte der S&P500 im Durchschnitt einen Zuwachs von 6,5% in den Monaten von November bis April, während der Zuwachs in den übrigen Monaten nur 1,6% betrug. Das entspricht einer Differenz von 4,9%. Noch größere Leistungsdifferenzen zeigen NASDAQ mit 5,9% und DJIA mit 6,9%.

Fazit…

Der Mythos „Sell in May“ besitzt, wie die Daten verdeutlichen, definitiv seine Daseinsberechtigung. Die „Sell in May“ Strategie hat im Vergleich zum EURO STOXX 600 immer noch eine Überperformance. Andererseits ist die allgemeine Performance der Aktienmärkte im Zeitraum von Mai bis September signifikant geringer, was jedoch nicht bedeutet, dass sie negativ ist. Im Markt zu bleiben und eine kleine Rendite zu erzielen, ist in jedem Fall vorteilhafter als keine Rendite zu erzielen.

Über lange Sicht ist statistisch gesehen eine einfache „Buy and Hold“ Strategie am effektivsten, zumal die Zeit im Markt, den Versuch den Markt zu timen überbietet. Die Hoffnung, Bärenmärkte in dieser Zeit zu umgehen, ist wie die Statistik zeigt, wenig sinnvoll.